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Zytglogge


Allgemeine Betrachtung

12:00 — das grosse Schauspiel

Kein anderes Gebäude in Bern hat seit der Stadtgründung bis in die heutige Zeit einen so hohen Stellenwert bewahren können, wie der Zeitglockenturm. Als erster massiver Wehrturm bildet er das Tor zur Stadt und damit die Öffnung zur Aussenwelt. Mit der Erweiterung der Stadt rückt er mehr und mehr ins Innere, wird zum Gefängnis, zur Hoch- und Feuerwacht und nach dem verheerenden Brand von 1405 definitiv zum zentralen Uhrturm, dem Zytglogge.

Als solcher wird er schon damals zum bedeutendsten Wahrzeichen der Berner. In den Bilderchroniken erscheint er fortan überhöht im Mittelpunkt der Stadtveduten als Zeichen eines intakten Selbstbewusstseins der aufstrebenden Stadt. Später wird die Bedeutung des Turms als Träger der offiziellen Längenmasse und als Nullpunkt des bernischen Strassennetzes erweitert.

Heute bildet der Zytglogge mit seinem Monumentaluhrwerk, mit der reichen Figurengruppe und dem kunstvollem Astrolabium die Hauptattraktionen der Stadt. Der stündliche Ablauf des Figurenspiels zieht immer wieder eine grosse Anzahl von Besuchern an, die bewundernd die Köpfe recken und sich am Schauspiel erfreuen.

Wehrturm und Stadttor

Der Wehrturm wird zur Kebie

Über die Gründung der Stadt Bern erzählt uns vor allem die Stadtchronik von Konrad Justinger. Danach baute Herzog Bertold V. von Zähringen 1191 die Stadt zum Schutz der Bevölkerung gegen den burgundischen Adel, daz si sicher weren und fride und schirm hetten. Natürlich sollte die Stadt auch die Macht des Herzogs in seinem Herrschaftsgebiet stärken. Als Standort wählte er eine sichere Geländeerhöhung, die auf drei Seiten von der Aare umflossen wird. Einzig gegen Westen war sie offen zugänglich. Eine künstliche Befestigungsanlage mit Graben, Ringmauer und Wehrturm waren daher unumgänglich. Zwei markante seitliche Geländeeinschnitte auf der Höhe des heutigen Theater- und Kornhausplatzes eigneten sich dazu ausgezeichnet. Um ca. 1220 war die Anlage mit dem Wehrturm errichtet. Der Wehrturm bildete gleichzeitig das Stadttor und damit die Öffnung zur Aussenwelt.

Nach der Legende sollte die Stadt nach dem ersten gejagten Tier im Walde benannt werden: Nu wart des ersten ein ber gevangen, darumb ward die stat bern genempt, so der eindeutige Bericht von Konrad Justinger.

Die Stadt entwickelte sich schnell und war für Bewohner sehr attraktiv. So berichtet Justinger, dass gar vil lüten in die Stadt gezogen sind, was 1255 zu einer Erweiterung des Stadtgebietes führte. Auf der Höhe des heutigen Käfigturms entstand eine neue Wehranlage quer über die Flusshalbinsel. Um freie Sicht über das neu überbaute Gebiet zu erhalten, wurde das ursprüngliche Stadttor um etwa 7 m erhöht und diente so noch als rückwärtiger Wehrturm.

Das anhaltende Bevölkerungswachstum führte nach 1344 zu einer dritten Stadterweiterung bis zum damaligen Christoffelturm. Der alte Wehrturm stand plötzlich mitten in der Stadt und büsste seine Wehrfunktion endgültig ein — er wurde zur kebie, dem Gefängnisturm.

Der grosse Stadtbrand

14. Mai 1405 — die grosse Katastrophe

Es wehte eine starke Bise an diesem fatalen Donnerstag, den 14. Mai 1405, als gegen 5 Uhr nachmittags an der Brunngasse ein Feuer ausbrach. Das Feuer breitete sich so rasch aus, dass innerhalb einer Viertelstunde der ganze Stadtteil hinauf bis zur Kebie (Gefängnis) in Flammen stand. Danach griff es weiter in die Neuenstadt zum heutigen Käfigturm und schliesslich den Hang hinunter ins Marzili. Die Leute konnten sich nur noch fluchtartig retten und mussten das meiste Hab und Gut zurücklassen.

... Also verbrann die alt kebie, do die zitglogge inne hanget, darinne verbrunnen siben pfaffendirnen. ... Also verbrunnen bi sechshundert hüsern, gros und klein, und gros guot darinne und me denne hundert mönschen.

So die Schilderung von Conrad Justinger in seiner Chronik von 1420.

Trotz unsäglichem Leid, sah Bern im Unglück eine grosse Chance zum Neubeginn. Mit Hilfe der umliegenden Städte, insbesondere der Freiburger wurde unverzüglich mit dem Wiederaufbau begonnen.

Der Uhrturm

Die alt Kebie wird zum Uhrturm

Zum Neuanfang gehörte auch die Einführung der Zeitmessung nach den modernen Stunden. Weg von den alten, mühsamen Temporalstunden, hin zu den modernen, gleichlangen Stunden.

Seit der Antike wurde der lichte Tag in 12 Temporalstunden eingeteilt. Sie waren im Winter kurz und im Sommer lang. Ihre Dauer veränderte sich somit laufend übers Jahr. Für die Klöster und Kirchen bildeten sie die Grundlage zur Festlegung der kanonischen Gebetszeiten. Sie regelten damit auch mehr oder weniger den Lauf des öffentlichen Lebens. Mit der Einführung der mechanischen Räderuhren im 14. Jahrhundert wurden die Temporalstunden mehr und mehr durch die gleichlangen Stunden verdrängt. In Bern existierte seit 1381 eine öffentliche Uhr, die Stunden mussten aber noch von Hand an eine Glocke geschlagen werden.

Nun bestand also die Gelegenheit, an zentraler Stelle ein Uhrturm mit einem Schlagwerk und einer grossen Stundenglocke zu errichten. Dazu eignete sich der alte Wehrturm, der mitten in der Stadt stand ausgezeichnet. Bereits im Oktober 1405, nur fünf Monate nach dem Brand, war die Glocke gegossen. Sie würde fortan den Bernern die neuen Stunden verkünden und dem Turm den neuen Namen geben: Zytglogge. Professor Rainer C. Schwinges nennt im Vorwort zum Band Berns Grosse Zeit den Stadtbrand, trotz seiner grossen Tragödie, das Tor zu Berns Grosser Zeit. Es war also gewissermassen die Zytglogge, die diesen Neubeginn und damit Berns Grosse Zeit einläutete.

Das Wahrzeichen

12:00 — das grosse Schauspiel

Kein anderes Gebäude in Bern hat seit der Stadtgründung bis in die heutige Zeit einen so hohen Stellenwert bewahren können, wie der Zeitglockenturm. Als erster massiver Wehrturm bildet er das Tor zur Stadt und damit die Öffnung zur Aussenwelt. Mit der Erweiterung der Stadt rückt er mehr und mehr ins Innere, wird zum Gefängnis, zur Hoch- und Feuerwacht und nach dem verheerenden Brand von 1405 definitiv zum zentralen Uhrturm, dem Zytglogge.

Als solcher wird er schon damals zum bedeutendsten Wahrzeichen der Berner. In den Bilderchroniken erscheint er fortan überhöht im Mittelpunkt der Stadtveduten als Zeichen eines intakten Selbstbewusstseins der aufstrebenden Stadt. Später wird die Bedeutung des Turms als Träger der offiziellen Längenmasse und als Nullpunkt des bernischen Strassennetzes erweitert.

Heute bildet der Zytglogge mit seinem Monumentaluhrwerk, mit der reichen Figurengruppe und dem kunstvollem Astrolabium die Hauptattraktionen der Stadt. Der stündliche Ablauf des Figurenspiels zieht immer wieder eine grosse Anzahl von Besuchern an, die bewundernd die Köpfe recken und sich am Schauspiel erfreuen.

Würdigung

Neubeginn — Verkündung der modernen Stunden

Mit dem Datum octobris 1405 beginnt die Epoche des Zytglogge und der modernen Stundenzählung. Sie teilt fortan den Tag in 24 gleichlange Stunden und bestimmt den Rhythmus des gemeinen Lebens. Damit verdrängt sie auch die vielfältigen bürgerlichen Glockenzeichen. Behörden, Handel und Privatpersonen richten ihre Beschäftigungen bald nur noch nach den Schlägen der Stundenglocke. Eine einschneidende gesellschaftliche Erneuerung, die einer Revolution gleich kommt, verdrängt den ruhigen Rhythmus des natürlichen Tagesablaufs.

Monumentaluhrwerk
Beim Eintreten in die Uhrkammer präsentiert sich dem Betrachter ein Monumentaluhrwerk gewaltigen Ausmasses, das den würdigen gewölbten Raum majestätisch einnimmt. Seine einzigartige Schmiedeisenkonstruktion mit dem imposanten Räderwerk löst beim Besucher wahrlich grosses Staunen aus. Der überragende Gestellrahmen mit seinen Fialen und Wasserspeiern erinnert an das gotische Strebewerk einer Kathedrale. Einzig der regelmässige Pendelschlag durchbricht die sonst herrschende Ruhe und erinnert eindringlich daran, dass die Zeit unaufhaltsam verstreicht.

Grösse, Robustheit und Bauweise sind einmalig und lassen in Kaspar Brunner den bezeugten Waffenschlosser erkennen. Obschon im Einzelnen eher überdimensioniert, greifen die Räder, Hebel, Wellen, Draht- und Seilzüge harmonisch ineinander und bilden ein ausgewogenes, handwerklich-technisches Kunstwerk. Robustheit, aber auch stetige, pflichtbewusste Betreuung und Pflege haben vorwiegend dazu beigetragen, dass das Uhrwerk auch heute, nach bald 500 Jahren noch einwandfrei läuft.

Zentrum der Zeitmessung
Das Monumentaluhrwerk mit all seinen Funktionen, vom Glockenschlag über optische Zeitangabe an übergrossen Zifferblättern, astronomische Abläufe am Astrolabium bis hin zum vielfältigen Figurenspiel, zeugt von städtischer Autorität — von «Berns grosser Zeit». Als Zentrum der Zeitmessung und als städtisches Attribut sollte der reich dekorierte Uhrturm den Rang Berns gegenüber andern Städten ausdrücken. Während der Hochblüte der Räderuhren herrschte landläufig eine rege zwischenstädtische Prestigekonkurrenz über die schönere und grössere Uhr.

Im Verlaufe der Zeit nimmt der Zeitglockenturm eine immer grössere Bedeutung ein und wird, wohl dank seiner zentralen Lage, aber auch als Zeichen der urbanen Macht, zum eigentlichen Zentrum der Zeitmessung. Tatsächlich erhält die Schlaguhr mit der Zytglogge eine Leitfunktion, vorerst gegenüber den übrigen städtischen Uhren, später auch im ganzen Staate Bern. Die Uhren werden nicht mehr individuell nach der Sonne gerichtet, sondern nach der Zytglogge. Postkutschen tragen die Zytglogge-Zyt mit ihren Kutschenuhren in die bernische Landschaft. Der Turm wird zum Nullpunkt des Landstrassennetzes, das in Wegstunden vermessen ist und schliesslich zum Standort der geeichten städtischen Masse, die noch heute als Attraktion die Nordwand des Tordurchgangs zieren.

Als Wahrzeichen der Stadt und Sehenswürdigkeit ersten Ranges hat der Zeitglockenturm auch heute eine grosse Anziehungskraft auf Berner, Besucher und Touristen. Obschon genaue Armbanduhren seit langer Zeit den persönlichen Lebensrhythmus jedes Einzelnen lenken, hören viele Stadtbewohner auf den Glockenschlag und wundern sich, wenn er einmal infolge technischer Panne ausfällt.





Texte:
Markus Marti | Konzeption: macREC GmbH